Sunys Redebeitrag am 13. Juni in Allach

Es ist schön hier in Allach! Was macht einen Stadtteil schön? Die Blumen und Bäume, oder die Kindergärten und Cafés? Das gehört auch dazu. Aber was einen Stadtteil wirklich schön macht, das sind die Menschen. Also Ihr.

Wie wir gerade gehört haben, geht es um die an der Servetstraße geplante Unterkunft. Und darum, dass dagegen leider Stimmung gemacht wird. Ich werde nicht auf die Unterbringung eingehen, darin ist die nächste Rednerin viel besser. Ich möchte darauf schauen, was diese Situation mit uns macht.

Eine feindselige, ablehnende Stimmung lässt sich leicht erzeugen. Aber was lässt sich damit erreichen? Sie löst kein einziges Problem, nicht hier und nicht in der Welt. Der Krieg in der Ukraine, die Unterdrückung in Afghanistan, die Verfolgung in Syrien: All das wird nicht enden, weil sich die Beteiligten sagen: “Wir müssen sofort damit aufhören. Denn wo sollen die Leute hin? Die können jedenfalls nicht nach Allach.”

Das einzige, was eine feindselige Stimmung in Allach erreicht, ist eine feindselige Stimmung in Allach. Und damit wird Allach ein Stück hässlicher. Das ist doch traurig.

Geht es um die Natur? Das können wir uns einmal genauer anschauen. Menschen wollen in Gebäuden wohnen, und Gebäude stehen auf Boden, der vorher Grünfläche war. Auch diese Schule hier, auch die Häuser gegenüber, auch diese Straße.

In der Servetstraße geht es um eine Unterkunft: Das bedeutet Mehrbettzimmer, gemeinsam genutzte Küchen und Bäder. Diese Wohnform schont die Natur extrem. So wenig Boden pro Kopf verbraucht hier sonst niemand. Die Leute in der Unterkunft haben auch kein Auto und keine Garage mit Zufahrt. Sie tragen am wenigstens zur Versiegelung bei, aber ausgerechnet für sie soll es keinen Platz mehr geben.

Denn hier geht es leider nicht um die Natur, sondern gegen Menschen. Und zwar ausgerechnet gegen die Schwächsten.

Diese Feindseligkeit richtet sich gegen alle, die auf Unterstützung angewiesen sind, nicht nur gegen Geflüchtete, sondern auch beispielsweise gegen Menschen in Sozialwohnungen. Ihre Unterstützung wird als Belastung angesehen und als eine Hilfeleistung, die beliebig aufgekündigt werden kann, wenn der besser gestellte Teil der Gesellschaft das Gefühl hat, es werde ihnen jetzt zu viel.

So ist das aber nicht. Menschen in Notlagen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen ist keine Nettigkeit und kein Luxus sondern Aufgabe des Sozialstaats. Wir als Gesellschaft haben uns schon im Jahr 1949 dazu verpflichtet. Ich zitiere:

Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz als Staatsziel verankert: Nach Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes ist der deutsche Staat ein demokratischer und sozialer Bundes- und Rechtsstaat. Das bedeutet, dass sich der Gesetzgeber in der Bundesrepublik auch um soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherheit der Bürger kümmern muss. Wichtige Bereiche der sozialen Gesetzgebung in Deutschland sind neben der Arbeitsgesetzgebung und der Steuergesetzgebung die Sozialversicherung, also die gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Darüber hinaus finanziert der Staat soziale Leistungen wie Kindergeld, Elterngeld, Wohngeld oder Sozialhilfe.

https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/S/sozialstaat-245542

Die sogenannte “Ewigkeitsklausel” (Art. 79) schützt zwei Artikel des Grundgesetzes vor Änderungen: Und zwar den Artikel 1, “Die Würde des Menschen ist unantastbar.”, und eben den Artikel 20, der unter anderem das Sozialstaatsprinzip festlegt. Diese beiden Artikel stehen natürlich in enger Verbindung. Zur Würde gehört nämlich auch ein Dach über dem Kopf.
Wir stehen zum Sozialstaatsprinzip. Das finden wir genau richtig, das ist gelebte Solidarität.

Wir stehen auch zur Vielfalt unserer Gesellschaft. “Der Westen ist bunt!”: Das ist kein Wunsch und bestimmt keine Forderung, das ist eine Feststellung. Das ist unsere gesellschaftliche Realität, und es ist an uns, daraus eine gute Gesellschaft für alle zu machen. Das wird viel Arbeit, und es wird auch schwierig – das weiß ich gut, ich bin in der Hinsicht ganz sicher nicht blauäugig. Genau deshalb sollten wir unsere Kraft für die Gestaltung dieser Gesellschaft einsetzen und nicht dafür, sie abzulehnen.

Die, die gegen die Unterkunft sind, behaupten gerne, dass sie für “die Anwohner” sprechen. Zum Glück stimmt das nicht. Wir sind hier, und Allach kann ganz anders, und viel mehr.

Es gibt hier in Allach wunderbare Initiativen an Schulen, das Familienzentrum, man kann sich bei der Initiativgruppe melden und Nachhilfe anbieten. Oder unserer Bürgerinitiative beitreten.

Denn: Der Westen ist bunt, und Allach ist schön, nicht nur die Blumen, sondern auch die Menschen.